Sitzung vom 19.06.2011: Für ein EEG, das die Energiewende antreibt

Für die Ausweitung der gesellschaftlichen Teilhabe am Energiesystem und eine Begrenzung der Marktmacht der großen Energiekonzerne

Stellungnahme der BAG Energie von Bündnis 90 / Die Grünen zum Gesetzentwurf der schwarz/gelben Bundesregierung

Im Rahmen eines Gewaltrittes durch die Energiegesetzgebung will die schwarz/gelbe Bundesregierung umfangreiche Änderungen auch am Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) durchzuführen. Vorgeblich soll der Ausbau der Erneuerbaren nachhaltig und effizient gemacht werden, die Marktintegration wird als vornehmliches Ziel genannt. In der öffentlichen Diskussion wird behauptet, das EEG solle vor allem den Gegebenheiten des Atomausstiegs angepasst werden. Die Begrenzung der Umlage, resultierend aus den Vergütungen für die Einspeisung der Erneuerbaren, wird in den Mittelpunkt der Diskussion gestellt. Die Auswirkungen der geplanten Änderungen sind jedoch andere.  Die Energiewende würde durch den vorliegenden Gesetzentwurf massiv gebremst. Kleinere Unternehmen würden aus dem Markt gedrängt, Vorteile für große Energieerzeuger geschaffen.

Schon das von der Bundesregierung vorgesehene Ausbauziel von 35 % für die Erneuerbaren im Strombereich an sich bis 2020 ist nicht ambitioniert genug. Die Energiewende beschleunigen muss zwingend auch heißen, ein höheres Ausbauziel von mindestens 40% bis 2020 anzustreben. Ansonsten würde Atomenergie in großem Stil durch den Ausbau fossiler Kraftwerke ersetzt. In diesem Mix wiederum wäre sogar der Zubau von weiteren Kohlekraftwerken möglich der unter allen Umständen verhindert werden muss.

Die BAG stellt fest:

  • Das EEG ist DAS erfolgreiche Konzept für die Energiewende, für den Weg zu 100 % Erneuerbare Energien. Es ist anerkanntermaßen weltweit das Vorbild für eine gelungene Förderung der Erneuerbaren. Das Prinzip, die privatrechtlichen Beziehungen zwischen Stromerzeuger und Netzbetreiber auf Basis von Vergütungen und Anschlusszwang in Zusammenhang mit dem Einspeise-Vorrang zu regeln, hat sich bewährt. Ein vorzeitiger Übergang zu reinen Markt-Bedingungen wäre kontraproduktiv.
  • Der Weg zu den Erneuerbaren ist zwingend und aus ökologischer Sicht ist es nur eine Frage, welche Umweltschädigungen vor dem Abschluss dieses Weges noch zugelassen werden.
  • Ein Umstieg auf 100 % Erneuerbare im Strombereich in Deutschland wird bis ca. 2030 machbar sein, ein vollständiger Umstieg in allen Bereichen des Energieverbrauches bis etwa 2040.. Diese Zieltermine sind allerdings zur Erreichung des Klimazieles von 2 Grad unabdingbar.
  • Das EEG darf deshalb nur in vorsichtigen Schritten, nachvollziehbar für die Märkte und unter Maßgabe des eigentlichen Zieles, der Energiewende hin zu 100% Erneuerbaren, angepasst werden. Dies soll jeweils nach sorgfältiger Analyse und auf Basis der Erfahrungsberichte geschehen.

Vor diesem Hintergrund ist der vorliegende Regierungsentwurf eine gewaltige Bremsaktion beim Ausbau der Erneuerbaren. Die Vergütungen für Wind-onhore, PV-Anlagen und Biomasse werden über die Maßen gesenkt, die Direktvermarktung teilweise erzwungen. Dabei stehen offensichtlich für die Regierung ganz andere zentrale Ziele im Vordergrund: Erhalt der Margen der großen Energieerzeuger und ein möglichst niedriger Strompreis für die Industrie. Anstatt den Ausbau der Windenergie an Land zu bremsen, wollen wir dafür sorgen, dass diese Ressource endlich überall im Land, auch in den südlichen Bundesländern, entsprechend der hohen Potentiale auch genutzt wird. Im EEG soll daher deshalb die Förderung von Binnenlandstandorten verbessert werden.

Die Orientierung des Entwurfs der EEG-Novelle an den großen Stromunternehmen EnBW, E.ON, RWE und Vattenfall ist vor allem an der Konzentration auf Wind-offshore und den vorgeschlagenen Regeln für eine beschleunigte Marktintegration erkennbar. Die vorgeschlagene „gleitende Marktprämie“ dürfte vor allem von diesen großen Stromhändlern genutzt werden und kann es ihnen ermöglichen, die in den vergangenen Jahren an neue und kleine Unternehmen aus der EE-Branche verlorenen Marktanteile zurückzugewinnen. Damit wird das Oligopol auf dem Strommarkt gestärkt. Die Marktprämie kann aber nicht – wie von den Befürwortern behauptet – zur dringend notwendigen und auch von uns Grünen angestrebten Systemintegration von Erneuerbaren und vorerst verbleibenden konventionellen Energien beitragen. Denn für die dafür notwendigen Investitionen, u.a. in Energiespeicher und Blindstromkapazitäten, reichen die erzielbaren Zusatzeinnahmen nicht aus, und es fehlt die Investitionssicherheit. Ein Schlag ins Gesicht der kleinen Anbieter ist, dass Biogasanlagen ab 500 kW, die nach 2014 in Betrieb gehen, die feste Einspeisevergütung nicht mehr in Anspruch nehmen können. Vielmehr müssen sie dann über die Marktprämie in die Direktvermarktung gehen.

Die Flexibilitätsprämie soll für Biogasanlagen, die auf eine bedarfsgerechte Einspeisung umsteigen wollen, die notwendigen Zusatzeinnahmen abdecken. Sie wird aber nur dann gewährt, wenn der Anlagenbetreiber auf die feste Einspeisevergütung verzichtet und die Marktprämie nutzt. Hier werden wieder die kleinen Akteure benachteiligt, die das höhere Risiko nicht eingehen können und von den Banken so keine Kredite bekommen. Ein zweites Problem wird zum KO-Kriterium für die Biogasbranche: Die jetzige EEG-Novelle fordert, dass die Wärmenutzung aus KWK mehr als 60 % betragen muss. Bei Nichterfüllung würde die gesamte Vergütung entfallen. Diese Quote muss entfallen.

Daher lehnt die BAG die Einführung der „gleitenden Marktprämie“ ab und fordert, dass die Flexibilitätsprämie auch im Festvergütungssystem genutzt werden kann.

Das Ökostromprivileg nach § 37 EEG sollte so ausgestaltet werden, dass es weiterhin auch von kleinen Stromhändlern angewendet werden kann. Ferner ist es so auszugestalten, dass Schritt für Schritt der geforderte Anteil von EE-Strom (nach EU-Richtlinie Erneuerbare Energien) angehoben wird. Zusätzlich sollte die Anforderung eines Anteils fluktuierender Erneuerbarer Energien stufenweise eingeführt werden, beginnend mit einem Anteil von 10 Prozent und einer Steigerung von zusätzlichen 5 Prozentpunkten pro Jahr.

Zwar postuliert in der öffentlichen Debatte die Bundesregierung die Stabilisierung der Strompreise und der Umlage als politisches Hauptziel. Das kann jedoch in der aktuellen Situation nur zu einem Ausweichen eines Teils der größeren Investitionsströme in die Kohleverstromung führen. Zudem würden viele Privatinvestitionen von Hauseigentümern in eigene Solaranlagen dann unterbleiben. Auf der anderen Seite aber sollen weitere Unternehmen zu den energieintensiven Unternehmen gezählt werden ohne die jetzt schon begünstigten Unternehmen zu einem angebotsorientierterem Verhalten anzureizen. Dadurch steigt die Umlage wieder.

Im § 41 EEG ist festgeschrieben, welche energieintensiven Unternehmen von der EEG-Umlage ganz oder teilweise befreit werden und unter welchen Voraussetzungen. Die untere Schwelle dieser besonderen Ausgleichsregelung wird von 10 auf 1 GWh abgesenkt und damit der Kreis der begünstigten Unternehmen erheblich erweitert. Die Einführung eines Energiemanagement-Systems wird Pflicht, die nachzuweisende Energieeffizienzsteigerung von nur 1 % ist jedoch völlig unzureichend.

Letztlich ist das Regierungsvorhaben also in großen Teilen eine Umverteilung der Lasten des Umbaus von den Unternehmen mit hohem Energieverbrauch zu den KleinverbraucherInnen. Dies führt bei einem um den Faktor 2 bis 4 geringeren Strompreis der energieintensiven Industrie und geforderten Amortisationszeiten von 1 bis 2 Jahren bei kapitalmarktorientierten Unternehmen dazu, dass Investitionen in Energieeffizienz nicht durchgeführt werden, obwohl diese an sich eine viel höhere Einsparung bei geringeren Investitionen erzielen als beispielsweise Investitionen in die energetische Gebäudesanierung.

Richtig wäre, die Entlastung der energieintensiven Unternehmen mit höheren Anforderungen hinsichtlich der Verbesserung der Energieeffizienz (Vorschlag 1 Prozentpunkt besser als der Durchschnitt, d.h. derzeit ca. 2,5%) an die aktuellen Anforderungen anzupassen und darüber hinaus angebotsabhängiges und netzabhängiges Last-Verhalten  durch Anreize zu belohnen.

Die vorsichtige, das heißt auf konkreten Analysen und wissenschaftlich untermauerten Zielkorridoren  beruhende Steuerung der Verteilung der Investitionssummen zwischen den verschiedenen Erneuerbaren ist auch aus grüner Sicht notwendig und sinnvoll. Mitnahmeeffekte bei sinkenden Herstellungskosten und gleichzeitig steigenden Anteilen der Erneuerbaren sind zu vermeiden. Allerdings wurde eine solche Anpassung, auch unter Mitwirkung unserer Partei,  immer wieder durchgeführt. Die Möglichkeiten, Gewinne mit den Anlagen zu erzielen, jetzt weiter zu reduzieren, ist allerdings kontraproduktiv. Wir brauchen weiterhin ein EEG, das kräftig Investitionen in die ganze Palette der Erneuerbaren zieht.

Ein weiterer Punkt dabei ist der zunehmende Preisdruck auf die Unternehmen in der Branche. Die Qualität der Arbeitsplätze, die Arbeitsbedingungen und die Bezahlung insbesondere in der Wind- und Solarindustrie hängen auch von der Größenordnung des Preisdrucks ab. Wir wollen die Erhaltung der einheimischen Industrie im Bereich des Anlagenbaus, der Wartung und des Betriebes. Dabei wollen wir ‚gute Arbeit‘ ganz im Sinne unserer grünen Programme schaffen.

Die über die Vorgaben des EEG definierte Umlage ist in der öffentlichen und politischen Diskussion der zentrale Indikator für die Kosten des EEG. Sie ist aber weit davon entfernt, einen vernünftigen Hinweis auf die wahren Kosten zu geben, weder für die einzelnen Stromkunden noch für die Volkswirtschaft.  Das liegt daran, dass die Höhe der Umlage auch vom Börsen-Strompreis abhängt, und daran dass Preissenkungseffekte durch die Erneuerbaren nicht berücksichtigt werden. Zudem treiben Preisdifferenzen zu massiv subventionierten Alttechnologien (wie z.B. Braunkohle und Atom) die Umlage in die Höhe.

Vor diesem Hintergrund soll die Umlageberechnung so verändert werden, dass sie der Intention des EEG, die Kosten für die Energiewende gerecht zu verteilen, näher kommt. Die Berechnung soll für die Öffentlichkeit und die Stromkunden verständlich dargestellt werden.

Die EEG-Umlage auf den Strompreis auf den  diesjährigen Betrag von 3,5 cent /kWh begrenzen zu wollen, ist eine künstliche Vorgabe, die nicht einmal mit den selbstformulierten Zielen der Bundesregierung zusammen passt. Klar ist auch für uns, dass die Steuerung des Zubaus im Bereich der Erneuerbaren durch die Festlegung der Höhe der jeweiligen Vergütung schon immer zum Konzept des EEG gehört hat und erhalten bleiben muss. Technologiespezifisch unterschiedliche, aber vorhersehbare Degressionsschritte als wichtiger Faktor der Investitionssicherheit für kleine und mittlere Betreiber von Erneuerbaren-Anlagen sollten auch weiterhin die notwendige Kostensenkung anreizen.

In Bezug auf die Systemintegration und auf die Vergütungsregelungen von PV-Anlagen fordern wir insbesondere:

  • Die Rücknahme der Verpflichtung zur Einspeisekappung kleiner Solaranlagen bis 30 kWpeak bei 70% der Einspeiseleistung oder Abregelungseinrichtungen einzubauen, da alle neu gebauten größeren EEG-Anlagen bereits gemäß der elektrischen Regeln (Niederspannungsrichtlinie) regelbar gebaut werden müssen. Insbesondere die rückwirkende Verpflichtung lehnen wir ab.
  • Bei Abregelung von EEG-Anlagen soll wie bisher 100% der zur Verfügung gestellten Leistung, statt nur 95%, vergütet werden.
  • Die Wiederaufnahme der Vergütung für Freilandanlagen auf minderwertigem Ackerland unter Berücksichtigung von lokaler Bauleitplanung für Flächen, bei denen Naturschutzbelange nicht betroffen sind.
  • Die explizite Klarstellung im EEG, dass PV-Anlagen auf Parkplatzüberdachungen als  Gebäude-PV zählen, ähnlich wie dies für Lärmschutzwände der Fall ist.

Für die erfolgreiche Durchsetzung der Energiewende hin zu 100% Erneuerbaren ist es von zentraler Bedeutung, das leistungsfähigste Werkzeug der Energiepolitik, das EEG, in seiner Substanz zu erhalten und weiterzuentwickeln. Dabei sollten auch die durch erhöhten Anteil der Erneuerbaren veränderten Anforderungen an Netzstabilität und Versorgungssicherheit angegangen werden. Das EEG muss künftig entsprechende Anreize enthalten und so den Weg ebnen zu einer bedarfsgerechten Einspeisung von Strom aus Erneuerbaren Quellen.Es muss damit begonnen werden, mit dessen Hilfe die drängendste Aufgabe in Bezug auf die der Erneuerbaren zu lösen: Die 24 Stunden / 7 Tage Verfügbarkeit. Die längerfristige Weiterentwicklung des EEG, vor allem in Richtung der besonderen Förderung

  • von Eigenverbrauch
  • von elektrischem Strom und Gas aus Speichern, die aus erneuerbaren gewonnene Energie puffern
  • von Anlagen die eine hohe Regelgüte aufweisen,

ist notwendig. Anreize für VerbraucherInnen, sich angebotskonformer in Bezug auf die Erneuerbaren zu verhalten, müssen geschaffen werden. Dies gilt insbesondere in Bezug auf die energieintensiven Unternehmen.

Die BAG Energie lehnt den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur EEG-Änderung dementsprechend ab.

Beschluss in der Sitzung der Bundesarbeitsgemeinschaft Energie von Bündnis 90 / Die Grünen am 19. Juni 2011

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