Für ein kostengerechtes und energiewendeorientiertes Netzentgeltsystem

Beschluss Netzentgelte der BAG Energie vom 31.05.2015

In Kürze:

  1. Wir sprechen uns für bundesweit einheitliche Netzentgelte im Strombereich aus.
  2. Großverbraucher müssen stärker an den Kosten der Netze beteiligt werden.
  3. Netze müssen für die Energiewende fit gemacht werden – gegen faire Vergütung.
  4. Um Verbraucher mit hohem Eigenstromanteil an den Netzkosten zu beteiligen, sollte die Einführung einer Leistungskomponente auch für kleinere Verbraucher geprüft und im Gegenzug die EEG-Umlage auf Eigenstromverbrauch abgeschafft werden.

1. Bundesweit einheitliches Netzentgelt einführen

Die Energiewende ist ein gesamtgesellschaftliches Projekt. Die Entscheidung für die Energiewende in Deutschland ist eng mit dem dafür notwendigen Netzausbau verbunden. Dieser führt zu Mehrkosten. Die Energiewende kann nur gelingen, wenn die Kosten insgesamt solidarisch und regional fair verteilt werden. Auch für eine breite Akzeptanz ist es wichtig, dass die bundesweit unterschiedlichen Belastungen durch die Energiewende gemeinschaftlich getragen werden.

Das derzeitige System der Erhebung der Netzentgelte benachteiligt private Haushalte und Unternehmen in Regionen mit hohen EE-Ausbauzahlen. Gerade die Leistungsträger der Energiewende, also ländliche Regionen mit hoher Einspeisung aus erneuerbaren Energien, aber geringer Bevölkerungsdichte und daher geringem Stromverbrauch werden am stärksten mit den Netzkosten belastet. Ein System, das die Kosten für den Netzausbau und die Integration erneuerbarer Energien einseitig den ländlichen Ausbauregionen auflastet, ist nicht mit den Zielen der Energiewende kompatibel und daher dringend reformbedürftig.

Entsprechend der EEG-Umlage sollten daher auch die Netzentgelte bundesweit einheitlich ausgestaltet werden, statt sie wie bisher regional umzulegen. Ein bundesweit einheitliches Netzentgelt sollte auf allen Netzebenen (sowohl Übertragungs- als auch Verteilnetzebene) gleichzeitig eingeführt werden, da der Ausbaubedarf auf den verschiedenen Netzebenen sich regional stark unterscheidet und eine schrittweise Umsetzung für die verschiedenen Netzebenen wiederum zu Benachteiligungen bestimmter Regionen führen würde. Darüber hinaus ist es erforderlich, sämtliche Netzkosten bundesweit zu wälzen, da sich energiewendebedingte Netzausbaukosten nicht trennscharf von anderen Investitionsmaßnahmen im Netz unterscheiden lassen. Die Einführung eines bundesweit einheitlichen Netzentgelts lässt die derzeit gültige Systematik der Anreizregulierung unangetastet.

2. Großverbraucher stärker in die Verantwortung nehmen

Die derzeitige Systematik der Netzentgeltreduzierungen für energieintensive Unternehmen auf der Basis ihres maximalen Strombedarfs (§ 19 Abs. 2 Satz 2 StromNEV) führt nicht nur dazu, dass die Netzkosten für nicht-privilegierte Netznutzer weiter ansteigen, da sie auf immer weniger Schultern verteilt werden müssen. Sie entspricht auch nicht den Zielen der Energiewende, da keine Anreize für die Nutzung netzdienlicher industrieller Flexibilitäten gesetzt werden. Viele Unternehmen wären durchaus in der Lage, ihren Stromverbrauch zu variieren – je nachdem, ob gerade viel Wind- und Solarstrom oder wenig zur Verfügung steht – und damit netzentlastend einzusetzen. Eine Umstrukturierung der Netzentgelte für die Industrie sollte daher Anreize für eine netzdienliche Flexibilität schaffen. Netzentgelte sollten den Ausbau der erneuerbaren Energien sinnvoll stützen und flexibles Lastmanagement von Industriekunden fördern. Anstelle der 7000-h-Regelung (Entgeltreduzierung auf Basis der Jahreshöchstlast) sollte eine netzdienliche Änderung der Bezugsleistung belohnt werden – je höher die mögliche Spreizung, umso geringer die Netzentgelte. Der bisherige Anreiz in der Primärregelleistung steht nur für Kunden mit extrem hoher Bezugsleistung (3,5 GW) offen. Dies ist deutlich zu wenig für eine substantielle Netzentlastung bei niedriger Einspeisung Erneuerbarer. Die Einbeziehung abschaltbarer Lasten in die Leistungskomponente der Netzentgelte würde Potentiale insbesondere bei Gewerbe- und Industriekunden heben, die momentan aufgrund ihrer zu geringen Bezugsleistung keinen Anreiz für netzdienlichen Strombezug haben.

3. Energiewendedienliche Investitionen in Netze und Effizienzmaßnahmen vergüten

Den bei weitem größten Einfluss auf die Netzlast hat der Gesamtverbrauch. Daher ist die Umsetzung der EU-EDL-Richtlinie zur Energieeinsparung unter Anrechnung der Investitionen auf die Netzentgelte ein wichtiger Bestandteil der nachhaltigen Reduktion der Netzlast.

Die bisherige Anreizregulierung der BNetzA bewirkte zudem häufig eine preisgetriebene Komponentenwahl in den Verteilnetzen, die den zukünftigen Anforderungen nicht standhalten wird. Im Evaluierungsbericht der BNetzA ist daher die verstärkte Bewertung der Zukunftsfähigkeit der Netze als notwendiger Bestandteil für die Reform der Anreizregulierung folgerichtig adressiert, indem Effizienzgewinne aus intelligenten Lösungen über die Dauer einer Regulierungsperiode hinaus verbucht werden dürfen. In gleicher Weise sollten Investitionsmaßnahmen von Verteilernetzbetreibern mit hohem Anteil erneuerbarer Einspeiser sowie der Einbau energiewendedienlicher „smarter“ Komponenten durch eine zeitnahere Refinanzierung erleichtert werden.

Darüber hinaus sollte der Einsatz von Speichern zumindest teilweise auf Netzinvestitionen angerechnet werden, da Speicher nicht nur Systemdienstleistungen erbringen können, sondern auch zur Lastverschiebung eingesetzt werden können. Damit wird kapitalintensiver Netzausbau vermieden.

4. Einführung stärkerer Leistungskomponenten bei den Netzentgelten prüfen

Derzeit werden die Netzentgelte für private Haushalte und kleine gewerbliche Verbraucher fast ausschließlich nach der verbrauchten Menge an Kilowattstunden erhoben.

Die Netzkosten entstehen jedoch nicht in erster Linie aus der Strommenge, die aus dem Netz bezogen wird, sondern aus den Kosten für die Bereitstellung der Netzinfrastruktur. Daher sollten Möglichkeiten der Einführung einer stärker an der Leistung orientierten Netzentgeltsystematik geprüft werden, ohne dabei jedoch Haushalte mit geringem Verbrauch übermäßig zu belasten. Bei einer Umstellung der Bemessungsgrundlage eines höheren Anteils der Netzentgelte vom Verbrauch auf die Kapazität des Netzanschlusses könnten Verbraucher mit Eigenerzeugung, für die momentan keine Arbeitspreise anfallen, soweit sie keinen Strom aus dem Netz beziehen, stärker in die Netzentgelte einbezogen werden. Durch die Wahl ihrer Anschlussleistung könnten Verbraucher entscheiden, wieviel Netz für sie vorgehalten wird.

Die Anpassung der Leistungskomponente bedarf der Abwägung:

Der Vorteil läge zum Einen in der bewussteren Nutzung der Anschlussleistung, zum Anderen würden Eigenerzeuger gerechter an der Vorhaltung des Netzes beteiligt. Denn die „Sonnensteuer“ (EEG-Umlage für Eigenerzeuger), die mit der Netznutzung durch Eigenerzeuger begründet wird, behindert den gewollten Ausbau der dezentralen Erzeugung und bildet zudem die Netznutzung nicht wirklich ab. Die EEG-Umlage auf erneuerbaren Eigenstromverbrauch wollen wir damit abschaffen.

Der Nachteil einer Anpassung der Leistungskomponente liegt im geringeren Anreiz, Strom zu sparen. Denn Effizienzmaßnahmen benötigen bei höherem Leistungs- und niedrigerem Arbeitspreis in der Regel eine längere Refinanzierungszeit und werden u.U. von Haushalts- und Gewerbekunden dann nicht umgesetzt. Überdies ist für Privatkunden oft ein (netzentlastender) statistischer Ausgleich zu beobachten, der durch eine Leistungskomponente nicht adäquat abgebildet wird.

Daher sollte die Einführung der Leistungskomponente auch für Kleinverbraucher sorgfältig geprüft werden.

Der Beschluss mit Begründung und Fußnoten in letzterer als PDFl

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